Magnesiumhgilfe: Statement 2005
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Zum Leistungsrecht auf eine orale Magnesium-Substitution bei nachgewiesenem Magnesiummangel

Erklärung vom 03.10.2005

1. Das Problem

Nach Festlegung der OTC-Ausnahmeliste gemäß §34 Abs.1 Satz 2 SGB V ergeben sich bei der Weiterverordnung von Magnesiumverbindungen, insbesondere der oralen Magnesiumverbindungen, zu Lasten der GKV Probleme bei Patienten mit familiärer Magnesiummangeltetanie, einer chronischen Erkrankung, die nicht sekundär, sondern hereditär bedingt ist, und die zu den angeborenen Magnesiumverlusterkrankungen gehört.

Unabhängig vom entbrannten wissenschaftlichen Streit, wie der Status "angeboren" nach Stand der medizinischen Wissenschaft nachzuweisen sei, sind bei nachgewiesenem Magnesiummangel ohnehin Magnesiumverbindungen zu Lasten der GKV verordnungsfähig (siehe AMR Ziffer F.16.4.25).

Dennoch wird seitens einiger Kassen bestritten, dass bei nachgewiesenem Magnesiummangel - z.B. im Fall der Magnesiummangeltetaniker - auch orale Magnesiumverbindungen weiterhin zu Lasten der GKV erstattungsfähig sind.

2. Zumutbarkeit und Nutzen

Der grundsätzliche Ausschluss der nicht-verschreibungspflichtigen Arzneimittel nach §31 SGB V Satz 1 ist eine vom Gesetzgeber gewollte Rationierung durch Vorenthaltung von Leistungen, auf deren Gewährung die Versicherten nach der Grundregel des SGB V (§27 (1) Satz 1) zunächst einen Rechtsanspruch haben.

Zwei Begründungen werden für diese Rationierungsmaßnahmen gegeben:

  • die finanzielle Zumutbarkeit der Eigenversorgung und
  • der geringe medizinische Nutzen der ausgeschlossenen Leistungen bzw. der Vorrang nichtmedizinischer Aspekte.

Leistungen wie die Magnesiumsubstitution bei nachgewiesenem Magnesiummangel sind jedoch für eine Eigenversorgung finanziell nicht zumutbar (ca. 900 mg Magnesium pro Tag kosten > 27.- Euro pro Monat nach Apothekenverkaufspreis; es handelt sich außerdem um eine Langzeit- bis lebenslange Therapie). Der medizinische Nutzen einer Mg-Substitution ist hoch: Magnesium ist das einzige kausal wirksame Medikament bei nachgewiesenem Magnesiummangel. Nichtmedizinische Aspekte liegen nicht vor. Die Magnesium-Substitutionstherapie erfolgt erst, nachdem durch Ernährungsmaßnahmen keine ausreichende Verbesserung der Krankheit erzielt werden konnte.

Unter Berücksichtigung dieser Fakten hat der G-BA sowohl orale wie parenterale Magnesiumverbindungen in die OTC-Ausnahmeliste unstreitig aufgenommen.

3. Leistungsrecht

Der G-BA hat das Leistungsrecht für Magnesiumverbindungen in der OTC-Ausnahmeliste eindeutig bestimmt (siehe AMR F16.4.24 und F.16.4.25):

AMR Ziffer 16.4.24 Orales Magnesium
Bei angeborenen Magnesiumverlusterkrankungen
AMR Ziffer 16.4.25 Parenterales Magnesium
Bei nachgewiesenem Magnesiummangel und bei Eklampsie

Die Magnesiumsubstitution bei Magnesiummangel ist notwendig im Sinne des §27 (1) Satz 1 SGB V. Die Grundregel des Leistungsanspruchs der Versicherten bzw. des Leistungsrechts der GKV lautet: "Der Versicherte hat Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern."

Die Magnesiumsubstitution bei nachgewiesenem Magnesiummangel (unter anderem bei Magnesiumstoffwechselstörungen bzw. bei Magnesiumverlusterkrankungen) entspricht vollständig der Leistungscharakteristik gemäß §12 (1) SGB V. Der Leistungsanspruch nach §27 (1) Satz 1 SGB V erstreckt sich gemäß §12 (1) SGB V grundsätzlich auf alle Leistungen, die ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sind und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Für die Aufnahme der oralen und parenteralen Magnesiumverbindungen in die OTC-Ausnahmeliste entschied sich der G-BA, weil nachvollziehbar gemäß allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse für diese Arzneimittel der therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit und die Wirtschaftlichkeit nachgewiesen sind.

4. Arzneimittelrechtliche Voraussetzungen

Auch die arzneimittelrechtlichen Voraussetzungen für eine Erstattungsfähigkeit sind für orale Magnesiumverbindungen seit langem erfüllt: Sie sind nach AMG zugelassen zur Anwendung bei "Nachgewiesenem Magnesiummangel, wenn er Ursache für Störungen der Muskeltätigkeit (neuromuskuläre Störungen, Wadenkrämpfe) ist."

Unstreitig ist, dass das typische Symptom der Hypomagnesiämie eine Tetanie infolge gesteigerter neuromuskulärer Erregbarkeit ist (GKV-Arzneimittelverordnungsreport, 2004). Die Erkrankung wird als Magnesiummangeltetanie bezeichnet. Der gültige ICD10-Schlüssel lautet unverändert: Tetanie R29.0 (Mg-Blutwert abnormal) in Verbindung mit Magnesiumstoffwechselstörung / Magnesiummangelsyndrom (E83.4) und alimentärem Magnesiummangel (E61.2). Diese Verschlüsselung wird sowohl angewendet auf nachgewiesenen akuten oder chronischen Magnesiummangel als auch auf die angeborenen Magnesiumverlusterkrankungen, die einem chronischen Magnesiummangel, der nicht sekundär bedingt ist, entsprechen. "Angeborene Magnesiumverlusterkrankungen" haben deshalb keinen eigenen ICD-Schlüssel.

5. Haltung der Kassen

Trotz des eindeutigen Leistungsanspruchs auf eine Magnesiumsubstitution bei nachgewiesenem Magnesiummangel (siehe AMR F16.4.25) wird die AMR-Ziffer F16.4.24 ("bei angeborenen Magnesiumverlusterkrankungen") gegenwärtig von den Kassen in den überwiegenden Fällen überstreng ausgelegt, obwohl der G-BA selbst auf übertriebene Einschränkungen wie "nachgewiesene oder gesicherte angeborene Magnesiumverlusterkrankungen" aus sachlich nachvollziehbaren Gründen verzichtete.

Die Praxis zeigt aber, dass einige Kassen nur bei "sicher nachgewiesener angeborener Magnesiumverlusterkrankung" orales Magnesium erstatten. Dabei werden Anforderungen an den entsprechenden Nachweis durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen äusserst willkürlich und realitätsfern festgelegt, wobei auch unethische Forderungen (Auslassdiagnostik bei jahrzehntelang feststehender Diagnose) erhoben werden; zwischenzeitlich wurden sogar genetische Tests gefordert, obwohl diese in der medizinischen Praxis weder eingeführt noch zugelassen sind. Schließlich informierten bestimmte Vorsitzende der Kassen, dass der Gesetzgeber für die Austragung dieses Streites den Weg über das Sozialgericht vorgesehen hätte. Diese Kassen versuchen offenkundig eine vom Gesetzgeber nicht gewollte zusätzliche Rationierung gegen die chronisch erkrankten Magnesiummangeltetaniker durchzusetzen. Warum wissenschaftliche Fakten vor dem Sozialgericht und nicht unter den Sachkundigen einschließlich der zuständigen Selbsthilfeorganisation geklärt werden können, bleibt unerfindlich.

6. Angeborene Magnesiumverlusterkrankung

Wir, die SHO Mineralimbalancen e.V. (Patienten und Experten), haben wiederholt erklärt: Die familiäre Magnesiummangeltetanie beruht auf einer angeborenen Magnesiumverlusterkrankung. Auf diese Vererbbarkeit (Heredität, Familiarität) hat FEHLINGER bereits 1991 sowie die SHO Mineralimbalancen e.V., auch in Anträgen an den G-BA und in wissenschaftlichen Vorträgen (siehe auch www.magnesiumhilfe.de), immer wieder aufmerksam gemacht.

Angeborene Magnesiumverlusterkrankungen liegen vor, wenn ein nachgewiesener Magnesiummangel weder ernährungsbedingt noch sekundär verursacht ist. Das ist bei der Magnesiummangeltetanie der Fall. Sobald ein familiäres Vorkommen des nachgewiesenen Magnesiummangels festgestellt wird, ist diese Annahme zusätzlich begründet.

7. Fazit

Eine Rationierung dahingehend, dass bei gleicher ausgeprägter Erkrankung (nachgewiesener Magnesiummangel) nur die eindeutig nachgewiesene angeborene Erkrankung mit oralen Magnesiumpräparaten zu Lasten der GKV behandelt werden darf, ist weder wissenschaftlich begründet, noch rechtlich legitimiert, noch ethisch vertretbar.

Bei nachgewiesenem Magnesiummangel, der bei Magnesiummangeltetanikern unstreitig vorliegt, sind deshalb orale wie parenterale Magnesiumverbindungen zu erstatten.

Berlin, 03.10.2005
SHO Mineralimbalancen e.V.
www.magnesiumhilfe.de
Prof. Dr.sc.nat. Dr.med. Dierck-H. Liebscher
1. Vorsitzender
dierck-h.liebscher@magnesiumhilfe.de
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2006-04-07